Ein kurzer Aufruf zum Verzicht (in der Weihnachtszeit)!

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Die Weihnachtszeit steht schon wieder vor der Tür. Kaum ist der schmuckbehangene Baum des letzten Jahres verdorrt, wird Platz gemacht für einen neuen. Zumindest fühlt es sich so an. Die Zeit des „Gebens“ beginnt und mit ihr unser Kaufrausch. Die alljährliche Marketing-Maschine rollt schon lange. Lebkuchen, Plätzchen, Beleuchtung in den unterschiedlichsten Formen und Farben haben die besten Plätze in den Supermarktregalen eingenommen. Die Versuchung dem heiliggesprochenen und allgemein akzeptierten Weihnachts-Exzess zu verfallen beginnt schon im Spätsommer und findet ihren zwischenzeitlichen Höhepunkt mit den importierten und clever platzierten Rabatttagen wie Black-Friday, Cyber-Monday (mittlerweile praktischerweise in Cyber-Week ausgedehnt) und wie sie sonst noch alle heißen. Perfekte Tage, um mit Geld, das wir oftmals nicht haben und verdient mit Jobs, die wir oftmals nicht mögen, Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, um Leuten damit zu imponieren, die wir nicht leiden können. (Frei übersetzt – so oder ähnlich ausgedrückt von Tyler Durden in Fight Club.)



Eine erste Einordnung

Ziel des Texts ist kein Boykott von Rabatttagen, Weihnachtsartikeln, -leckereien und schon gar nicht der Weihnachtszeit im Allgemeinen. Das Überdenken unserer, Jahr um Jahr in Hektik, Stress und Streit ausbrechenden, Weihnachtsroutinen ist jedoch durchaus nötig. Auch soll der Text in keiner Weise religiöse Praktiken in Frage stellen. Geht in die Kirche oder eben nicht, betet oder lasst es bleiben. Leben und leben lassen. Der Hang zum Überfluss ist vom Glauben unabhängig und damit universell relevant. Auch soll die Begründung zum Verzicht nicht in externen Faktoren wie Nachhaltigkeit, den Konflikten und Kriegen in der Welt oder anderen ökonomischen, ökologischen sowie geopolitischen Problemen gesucht werden. Der positive Einfluss von Verzicht auf all diese Themen sind in dieser Betrachtung wünschenswerte Nebeneffekte. Die Subjekte des Textes sind wir selbst und alle uns Nahestehenden.



Unsere materielle Gier

Seit ich vor ein paar Wochen den großartigen Film Into The Wild zum wiederholten Mal gesehen habe, geht mir der folgende Liedtext der Filmmusik von Eddie Vedder nicht mehr aus dem Kopf:

Oh, it’s a mystery to me
We have a greed, with which we have agreed
And you think you have to want more than you need
Until you have it all you won’t be free

Society, you’re a crazy breed

Der Auszug fasst die Essenz unserer Wohlstandsgesellschaft gut zusammen und offenbart gleichzeitig eines unserer größten Probleme. Die von uns selbst erschaffene Abhängigkeit von materiellen Dingen. Wir sind süchtig nach mehr. Süchtig nach Konsum, bedingt durch unseren Drang nach Wachstum oder Entwicklung oder Fortschritt, wie auch immer man es nennen mag. Dieser Drang ist nichts grundsätzlich Schlechtes. Im Gegenteil, er entstammt unserem Überlebensinstinkt. Charles Darwin. Survival of the fittest. Dieses Grundprinzip der Evolution ist jedoch mit steigendem Wohlstand und dem Wandel unseres Lifestyles teilweise ausgeartet und in die verkehrte Richtung gelaufen. Während in Darwins Definition physische und besonders im Falle des Menschen auch kognitive Überlegenheit Evolutionsvorteile mit sich bringen, steht bei vielen heutzutage die materielle Überlegenheit im Vordergrund. Diese Entwicklung ist nichts Neues und soll in diesem Artikel auch nicht zu sehr vertieft werden, ist jedoch ein, ja vielleicht auch etwas kontroverser, Denkanstoß.



Zeit ist kostbar

Um wieder zum Kernthema zurückzukehren, hier ein paar Statistiken: Durchschnittlich werden für Geschenke zu Weihnachten in Deutschland pro Kopf 520 Euro ausgegeben. Da die allermeisten Leute für ihr Geld arbeiten gehen, was logischerweise viel Zeit in Anspruch nimmt, können Geldeinheiten grundsätzlich auch in Zeiteinheiten ausgedrückt werden. Schließlich tauschen wir unsere (Arbeits-) Zeit gegen Geld ein. Der Durchschnittsverdiener erarbeitet sich einen Nettolohn von 2.165 Euro pro Monat, bzw. etwa 12,50 Euro netto pro Stunde. Er muss unter dem Strich also ca. 42 h bzw. über eine Woche arbeiten, um sich all seine Geschenke leisten zu können. Diese etwas zähe Herleitung soll dazu dienen, die wahren Kosten unseres Konsums greifbarer zu machen. Konsum kostet Zeit. Im doppelten Sinne. Wie knapp und kostbar unsere Zeit aber ist, stellt Tim Urban in seinem Blog Wait but Why simpel und elegant in einem Lebenskalender dar. Auch der dazugehörige Artikel ist lesenswert. Den Kalender hab ich euch nachgebaut und ihr könnt ihn euch hier (ppt/ pdf) oder unterhalb des Bilds herunterladen und selbst ausfüllen. Er zeigt euch auf einfache Weise und erschreckend anschaulich wie viel Zeit eures, mit 90 Jahren lang bemessenen, Lebens bereits vergangen ist.




Jedes Quadrat in dem Kalender steht für einen Monat in einem 90 Jahre dauernden Leben. Der Kalender drängt die relevante Frage auf, wie wir die uns bleibende Zeit bestmöglich nutzen. Es gilt also immer abzuwägen, ob die Zeit, die wir in teure Geschenke stecken nicht etwa besser genutzt werden kann, z.B. indem man mehr Zeit mit der zu beschenkenden Person verbringt. Denn nochmal, unsere Zeit ist knapp. Eine Woche Zeit, die ihr in der Vorweihnachtszeit möglicherweise in Überstunden steckt, um euch all die Geschenke leisten zu können, welche in vielen Fällen nach kurzer Zeit wieder vergessen sind, kann urplötzlich unendlich viel mehr wert sein, wenn ihr, aus welchem Grund auch immer, keine Zeit mehr mit euren Liebsten verbringen könnt. Wie viel würdet ihr dann geben, um noch einmal eine Woche gemeinsam beisammen zu sein? Ich tippe auf mehr als 500 Euro.

Genau das ist dann auch der Grund, warum ich mich nicht für einen generellen Weihnachtsboykott ausspreche. Weihnachten, und die dazugehörigen Feier- und Urlaubstage ist die perfekte Zeit, um Zeit in Form von Aufmerksamkeit und Präsenz zu verschenken. Und klar, vielleicht auch ein wenig in Form von Geschenken. 😉

Frohe Weihnachtszeit euch allen. 🎄

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